Schneiderpuppen

Schneiderbüsten oder Schneiderpuppen sind für ModedesignerInnen und SchnittmacherInnen das Arbeitsmittel, an dem die Kleider entstehen. Man kann eine Menge auf dem Papier zeichnen oder am PC, aber an der Puppe wird das Kleidungsstück lebendig. Auch für HobbyschneiderInnen, die viel für sich selbst kreieren, ist eine Schneiderpuppe ein hilfreiches Ausstattungsstück. Welche Schneiderpuppen geeignet sind für deine Arbeit, erfährst du hier.

Es gibt Schneiderbüsten in den verschiedensten Preislagen. Ich selbst habe inzwischen eine Sammlung verschiedener Fabrikate von günstig bis teuer. Es ist eine Frage, wie man gerne arbeitet und was man darauf entwickeln will.

Einsteigermodelle

Bei den günstigen Modellen muss man besonders auf die Maße achten. Wenn es um echte Passform geht, sind sie nicht so nützlich, für die reine Modellentwicklung sind sie ausreichend. Ein Teil, das für den Bekleidungsmarkt produziert werden soll, möchte ich darauf nicht überprüfen. Das überprüft man dann sowieso am besten an einem menschlichen Model mit den gewünschten Maßen.

Styropor-Puppen

Dies sind wohl die günstigsten Puppen. Sie werden inzwischen als Schneiderpuppen angepriesen, waren aber ursprünglich eher für Deko-Zwecke gedacht. Die Puppen sind sehr leicht, daher auch beim Arbeiten schnell umzuwerfen. Es gibt sie z.B. von Dummydoll oder in großer Auswahl auf amazon*).

Man sollte hier immer nach den Maßen schauen. Oft sind diese für verschiedene Größen mit angegeben, aber meistens nur die Rundmaße Brust-Taille-Hüfte. Wichtig sind aber auch die Längenmaße! Die Rückenlänge bei diesen Puppen ist oft etwas zu kurz. Das kann dazu führen, dass taillierte Kleidungsstücke auf der Puppentaille hängenbleiben und der obere Bereich blasig fällt bzw. Falten schlägt. Man kann hier improvisieren, indem man Schulterpolster auf der Puppe befestigt, um das Kleidungstück etwas zu heben. Vor allem große Frauen haben ja auch einen längeren Rücken, da reichen dann auch keine Schulterpolster mehr. Für kleinere Frauen wird die Rückenlänge einigermaßen passen. Wer eher weite Kleidungsstücke entwickeln möchte, hat hier aber kein Problem.

Man kann auch einfach vorher beim Anbieter nach Rückenlänge und Brusttiefe fragen.

Oft gibt es die Styroporpuppen in Doppelgrößen, das heißt zwei Größen werden mit einer Puppe abgedeckt. Tendenziell würde ich hier die kleinere Puppe wählen und dann aufpolstern. Ich hab auch schon von Designern gehört, die sich die Styroporbüsten "zurechtschnitzen"! Das ist etwas, was man mit diesem Material gut machen kann.

Ich kenne Profis, die lieben es mit diesen Puppen zu arbeiten, weil sich in das Styropor hervorragend Nadeln stechen lassen und man kann so die tollsten Raffungen und andere Drapierungen entwickeln. Allerdings wissen die Profis um die mangelnde Maßhaltigkeit und fügen dann später am Schnitt die fehlende Rückenlänge ein. Dazu bedarf es natürlich etwas Erfahrung.

Wenn man bedenkt, dass die Investition nicht so hoch ist - ab ca. 30€ kann man hier schon fündig werden - dann ist so eine Schnitzaktion auch mal einen Versuch wert.

Schneiderpuppen-Versandhandel

Hier findet man verhältnismäßig günstig Büsten, die maßhaltig sind – nicht nur in den Umfangsmaßen, sondern lt. Angabe des Herstellers auch in der Rückenlänge.

Sie sind aus Presspappmachee gefertigt. Mit einer dünnen Lage Schaumstoff unter dem Stretchbezug kann man Nadeln schräg einstechen. Achtung, den Ständer muss man hier extra kaufen - es gibt eine Auswahl an Modellen, ähnlich wie bei den Profipuppen.

Die Beschreibungen für die Schneiderpuppen enthalten gute Hinweise auf Besonderheiten. Außerdem kann man der Geschäftsführerin Angela Schmidt auch per E-Mail noch Fragen zu Details stellen. Sie ist sehr hilfsbereit. In ihrem Onlineshop gibt es nicht nur Schneiderpuppen, sondern auch andere nützliche Werkzeuge für die Schnittkonstruktion.

Puppen für Profis

Achtung! Profi-Schneiderbüsten sind teuer. Ab ca. 400€ aufwärts zuzüglich Ständer ist man dabei. Die Puppen werden von Hand angefertigt und die Herstellung dauert eine Weile. Von Bestellung bis Lieferung muss man etwa 4-6 Wochen einplanen! Unter dem Bezug gibt es ein wenig Polsterung, so dass man Nadeln schräg einstechen kann. Die Anschaffung von Profibüsten lohnt sich nur, wenn man professionell Kleidung anfertigen möchte. Was die Maße betrifft, richten die Hersteller sich nach den landesüblichen Maßtabellen sowie firmeneigenen Vorgaben.

Berliner Büstenfabrik

Tatsächlich arbeite ich auf meiner Puppe von der Berliner Büstenfabrik am liebsten. Sie ist maßhaltig in Umfangs- und Längenmaßen. Sie hat einen recht flachen Po, dafür aber etwas Bauch. Deshalb mögen Designer sie manchmal nicht sooo gern. Aber wenn es um die Passform geht, entspricht das einfach eher dem hiesigen weiblichen Körperbau.

In Größe 38 hat sie die Maße 88-72-97 (Brust-Taille-Hüfte), ist also nicht so stark tailliert und kurvenreich. Die Büste ist verhältnismäßig leicht und zum Transport kann man Büste und Ständer leicht trennen. Gegen Aufpreis kann man hier die Maße anpassen lassen bei der Bestellung. Außerdem kann man die Büste mit einklappbaren Schultern bestellen. Das ist z. B. bei engen Korsagen ein Vorteil oder einfach, wenn man bei einer Büste mit Armansatz ein enges Kleidungsstück sonst nicht auf die Büste ziehen könnte.

"Spur" by Tamotsu Kondo

Sehr beliebt und auch von Top Qualität sind die Büsten von Tamotsu Kondo.  Sie sind recht kurvig mit einer schmalen Taille im Vergleich zur Hüfte, entsprechen hier aber auch den gängigen Maßtabellen - Größe 38 hat die Maße 88-70-97 (Brust-Taille-Hüfte). Wenn einem die Taille zu schmal ist, kann man sie ja leicht bei Bedarf mit Watte etwas aufpolstern, das ist jedenfalls einfacher als etwas wegnehmen zu müssen, das geht nämlich nicht!

Die Puppe hat einen flachen Bauch, was von Designern sehr geschätzt wird, denn dann sehen auch die Modelle, die darauf entwickelt werden, schöner aus. Sie ist bei Modedesignstudierenden recht beliebt und oft die erste teurere Investition in die Zukunft als DesignerIn. Spezielles Extra ist der Kopf für die Puppe, den man gegen Aufpreis mit dazu bestellen kann.

Stockman & Co.

Da ich einige Zeit in London gearbeitet habe, möchte ich noch zwei Hersteller von Profibüsten erwähnen, mit denen ich dort gearbeitet habe.

Da wäre zum einen der britische Hersteller Kennett & Lindsell, ebenfalls sehr gute Profibüsten mit einer großen Auswahl an Formen. Auch hier gibt es Modelle mit einklappbaren Schultern.

International bei Designern beliebt und irgendwie auch eine Augenweide sind die französischen Schneiderbüsten von Stockman. Es gibt sie in verschiedensten Varianten - von den Proportionen wirken sie wie Laufsteg-Models. Dennoch sind sie ebenso maßhaltig wie auch die anderen Profibüsten.

Außer bei den Büsten von Tamotsu Kondo, bei dem die Preisliste auf seiner Webseite zu finden ist, erfährt man die Preise bei den anderen Herstellern auf Anfrage.

Verstellbare Puppen

Viele HobbyschneiderInnen wünschen sich lieber eine Schneiderpuppe, die ihre persönlichen Maße hat. Nun kann man sich, wie oben beschrieben, eine Puppe auf seine Maße anfertigen lassen. Das ist jedoch enorm teuer und nicht unbedingt notwendig. Das geht auch günstiger.

Und auch wer professionell viel auf Maß arbeiten möchte, weil man vielleicht verschiedenste Kundinnen bedienen möchte, braucht eine flexible Schneiderpuppe.

Prymadonna

Das Ganze kann mit einem Überzug abgedeckt werden. Gerade, wenn man drapieren möchte, ist es besser, wenn die Lücken, die durch das Anpassen der Maße entstehen, mit einem Überzug abzudecken, um Nadeln stecken zu können. Den Überzug von Prym scheint es nicht mehr zu geben, wer einen Tipp hat - bitte her damit! Andernfalls kann man den sich auch selbst nähen, z.B. nach dieser Anleitung von butinette. So eine Puppe richtet man sich ja nur einmal ein.

Professionelle Universalbüste

Hosenbüsten

Hier kommen wir zu einem Spezialgebiet. Es gibt keine preisgünstigen Hosenbüsten, jedenfalls nicht neu.

Die Profibüsten-Hersteller bieten alle Hosenbüsten an, die gehen aber gen 1000€ incl. Ständer.

Als HobbyschneiderIn ist diese Investition nicht notwendig! Für Designer, die viele Hosen entwerfen, lohnt sich diese Anschaffung eher. Dennoch ist bei Hosen die Anprobe am menschlichen Körper immer wichtig. Ich arbeite schon seit vielen Jahren für verschiedene Bekleidungshersteller, die auch Hosen anbieten. Die wenigsten haben eine Hosenbüste.

Alternativ kann man auch hier mit Schaufensterpuppen arbeiten, um wenigstens mal von allen Seiten auf die angezogene Hose schauen zu können. Die Passform kann man hier nicht perfekt prüfen, aber zumindest kann man gut am Design der Hose arbeiten.

Nicht zuletzt bieten auch manche verstellbaren Schneiderbüsten wie die Prymadonna Multi*) zumindest einen Ansatz, um auch Hosen auf die Puppe zu ziehen.

Gebrauchte Puppen

Wer dennoch unbedingt eine Hosenbüste sucht, könnte sich also nach einer gebrauchten Schaufensterpuppe mit Beinen umsehen.

Und wer eine hochwertige Puppe günstig kaufen möchte, könnte auch im Internet auf Online-Anzeigenmärkten oder mit etwas Glück auf dem Flohmarkt oder im Trödelladen fündig werden. Es empfiehlt sich, ein Maßband dabei zu haben bzw. die wesentlichen Rundmaße wie auch die Längenmaße (Rückenlänge und Brusttiefe) zu erfragen. Ich hatte hier z. B. eine Puppe in Größe 50 von der Berliner Büstenfabrik für einen Schnäppchenpreis in meine „Sammlung“ aufnehmen können.

Selbst gemacht

Zum Schluss möchte ich noch die Möglichkeit nennen, sich selbst eine Büste nach eigenen Maßen zu fertigen. Hierzu möchte ich ein Video empfehlen, in dem die Herstellung Schritt für Schritt sehr gut gezeigt wird inklusive aller Zutaten, die benötigt werden. Die Anleitung stammt von Guido Hofenbitzer, der gemeinsam mit SchülerInnen und Lehrerinnen dieses Video erarbeitet und gedreht hat und den du vielleicht schon kennst als Autor des Buches „Grundschnitte und Modellentwicklungen – Schnittkonstruktion für Damenmode“*).

Fazit

Ich habe dir nun eine Menge Infos an die Hand gegeben und je nachdem, ob du HobbyschneiderIn, StudentIn, Azubi oder schon ExpertIn in der Bekleidungsbranche bist, sind hoffentlich genug dabei, um deine Entscheidung zu treffen.

Grundsätzlich musst du dir überlegen, ob du überhaupt schon eine Schneiderpuppe brauchst. Wenn du einen Grundschnitt für dich selbst entwickeln möchtest, dann brauchst du noch keine Puppe. Den Grundschnitt musst du an dir selbst auf die richtige Passform prüfen. In meinen Grundschnittkursen ist z.B. keine Puppe notwendig. Wenn dein Grundschnitt in Ordnung ist und du deine eigenen Modelle entwickeln willst aus diesem Grundschnitt, dann ist die Schneiderpuppe ein echtes Plus.

Sei kreativ und bleib kreativ!

Deine Evelyn

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