
In diesem Sommer haben meine Familie und ich uns entschieden, Schottland zu erkunden. Mich persönlich haben besonders die schottischen Trachten aus den wundervollen Tartans interessiert. Ich wollte gern Schotten in ihrer Tracht und mit Dudelsack erleben, Highlands und Highland Games. Außerdem wollte ich sehen, wie so ein Tartan gewebt wird und ein bisschen rundherum erfahren. Es wurde ein toller Urlaub …
Crannogs und der erste Tartan
Unser erster Ausflug führte uns nach Kenmore am Loch Tay zum Scottish Crannog Centre. Hier wurde ein solches Crannog so originalgetreu wie möglich nachgebaut.
Ein Crannog ist eine künstliche Insel –eine Art Pfahlhaus – aus Baumstämmen, Steinen und anderen Materialien, die die natürliche Umgebung hergibt. Die ersten Crannogs wurden schon vor etwa 5000 Jahren errichtet und eine Menge davon fand man in Schottland.
Am Loch Tay kann man sich anschauen, wie die Menschen in diesen Häusern gelebt haben und selbst ausprobieren, wie man mit einem Holzbohrer Löcher in Steine bohrt, wie man sich ein Feuer zum Mitnehmen macht und aus Wolle mit einer Spindel Garn dreht. Es gibt altertümliche Webstühle zu sehen und aus mit Pflanzen gefärbter Wolle entstanden auf denen auch „Schottenkaros“. War das möglicherweise der Ursprung des Tartan?
Johnstons of Elgin

Johnstons of Elgin ist eine schottische Tweed-Weberei, gegründet 1797 von Alexander Johnston. Die wollte ich mir unbedingt von innen ansehen, leider durften wir drinnen nicht fotografieren.
Ursprünglich wurde hier nur Wolle gesponnen, später webte man auch Stoffe daraus. Johnstons sei die einzige schottische Weberei, die von der Verarbeitung der Wolle über das Färben und die Garnspinnerei bis zur Weberei alle Arbeitsprozesse in einer Firma ausführt, so teilte man uns mit. Umso mehr kann ich einen Besuch hier nur wärmstens empfehlen – die Führung ist kostenlos und man braucht keinen Termin vorher, solange man sich an die Öffnungszeiten hält. Gestrickt und genäht wird jedoch in anderen Standorten des Unternehmens.
Tweed
Tweed ist ein etwas gröber anmutender Wollstoff, dennoch dicht gewebt und mit weichem Griff. Er wird glatt oder wie Köper oder Fischgrat gewebt und bekommt z.B. durch zweifarbig gedrehtes Garn diese körnige Optik. Der berühmte „Harris Tweed“ ist eine Marke, die mit dieser Bezeichnung nur in den äußeren Hebriden Schottlands und nach bestimmten Vorgaben hergestellt werden darf, um die Qualität der Marke sicherzustellen.
Hier bei Johnstons mit Hauptsitz in Elgin auf dem schottischen Festland ist man stolz darauf, dass man nur feinste Wolle wie vor allem Cashmere aus der Mongolei und China sowie australische Merinowolle verwendet und klitzekleine Mengen vom Vikunja (schade eigentlich, dass man hier nicht auf die einheimischen Schafe zurückgreift).
Noch vor hundert Jahren verwendete man vorrangig natürliche Farbtöne wie Grün-, Braun- und Ockertöne, da Tweed als ein sehr robuster und wärmender Stoff ursprünglich draußen und vor allem zur Jagd zum Einsatz kam. Unser Guide erzählte uns eine Geschichte darüber, dass man beispielsweise für einen Kunden drei verschiedene Stoffmuster auswählte, daraus drei Anzüge nähte und diese dann an drei Models auf die andere Seite des Tals schickte, um aus der Ferne zu sehen, welcher Anzug am wenigsten in der natürlichen Umgebung von Wald und Flur zu erkennen war. Dieses Dessin wurde dann für die Anfertigung von Jagdkostümen bestellt.
Heute gibt es Tweed in allen Farben und Mustern, wie eben den weltberühmten Tartan, hierzulande eher bekannt unter dem Begriff “Schottenkaro”.
Tartan
Karierte Stoffe gibt es schon sehr lange und nicht nur in Schottland. Die ältesten Tartanfunde stammen aus China und sind über 5000 Jahre alt. Aber auch in verschiedenen Teilen Europas (Mitteleuropa und Skandinavien) wurden bis zu 3000 Jahre alte Tartans gefunden.
Tartans sind Stoffe, bei denen mindestens zwei einfarbige Garne in breiteren und schmaleren Streifen kreuzweise verwebt wurden und bei denen durch die Verwebung noch weitere Farbnuancen entstehen. Es gibt heutzutage tausende von Tartans!
In der Form, wie wir Tartan heute kennen, soll er in Schottland aber auch erst seit dem 16. Jahrhundert existieren, als die schottischen Clans begannen, ihre eigenen Tartans zu entwickeln, die nur von Clanmitgliedern getragen werden durften. Es gibt heute „The Scottish Register of Tartans“ in Edinburgh, welches tausende Tartans aus aller Welt gelistet hat und wo man seinen eigenen Tartan anmelden kann.
Bei Johnstons of Elgin hatten wir die Gelegenheit, beim Weben von Burberry-Stolen zuzuschauen. Zuerst wurden die Kettfäden auf riesigen Rollen computergesteuert in der richtigen Reihenfolge zigmeterlang aufgewickelt. Anschließend wurden die so vorbereiteten Rollen auf den Webstühlen eingehängt und eingefädelt, damit dann in rasender Geschwindigkeit das Schiffchen die Schussfäden ebenfalls computergesteuert in der entsprechenden Reihenfolge hin- und herschickte. Faszinierend! Alle Fransen, die an einer Stola vorgesehen waren, wurden gleich mit eingewebt und später wieder von einer anderen Maschine mitten im Stoff zu dickeren Fransen verzwirnt. Erst danach werden die einzelnen Stolen zugeschnitten. Fertig!
Edinburgh – Tartan Weaving Mill

Später in Edinburgh hatte ich noch einmal die Möglichkeit, wenigstens einen Webstuhl zu fotografieren. In der Tartan Weaving Mill auf der Royal Mile direkt am Fuße des Edinburgh Castle wird dieser Teil der schottischen Kultur für die Touristen ausgiebig vermarktet. Jetzt im August findet das Edinburgh Festival statt. Das zieht Touristen aus aller Welt an und entsprechend voll war auch die Royal Mile sowie der Rest der City. Natürlich bekommt man auch jede Menge Schotten in ihrer Tracht zu sehen.
Schottische Tracht

Das sogenannte Highland Dress der Schotten besteht bei den Männern aus dem Kilt (Schottenrock), dem Sporran (Geldbeutel), den Sgian Dubh (Strumpf-Dolch) in der Kilt Hose (Kniestrümpfe), die mit Garter Flashes (Gummistrumpfband mit Zierbändern) gehalten werden, und den Ghillies (zungenlose Schnürschuhe). Dazu wird eine Jacke getragen und – je nach Anlass – eine Weste, beides schlichter oder mit Silber- bzw. Goldknöpfen besetzt.

Auch die Frauen tragen einen kiltähnlichen Rock, der aber in der Länge variieren darf. Bei den Männern ist die Länge vorgeschrieben. Ebenso gehören die traditionellen Ghillies dazu mit den Strümpfen und Strumpfbändern.
Im Unterschied zu den geschneiderten Kilts gibt es noch die großen Kilts, genannt Feileadh-Mhor oder Belted Plaid (gegürteter Umhang). Diese wurden von Hand in Falten gelegt und mittig gegürtet. Der untere Teil bildet den Rock, der obere Teil wird mit einer Kiltnadel auf der Schulter befestigt und hält den Träger warm. Des Nachts konnte man sich bei dieser Kilt-Version ungegürtet in den Stoff einwickeln und darin schlafen.
Eines ist allen Kilts gemeinsam: es stecken mehrere Meter Tartan darin!
Es gibt die verschiedensten Angaben, was tatsächlich zum Outfit gehört. Auf youtube findet man interessante oder auch lustige Anleitungen wie z. B. diese hier oder diese.
Ich denke, die Schotten sehen’s locker und tragen es, wie es ihnen angemessen erscheint. So konnte ich es jedenfalls bei den Abernethy Highland Games in Nethy Bridge beobachten.
Highland Games

Die Highland Games waren für mich einer der Höhepunkte in diesem Urlaub. Jedes Jahr finden an die hundert Highland Games in verschiedenen Orten Schottlands statt. Einige Besucher waren mehr oder weniger in schottischer Tracht erschienen – manche trugen nur einen Kilt, kombiniert mit Turnschuhen und Sweatshirt, andere ließen es sich nicht nehmen, alles an Tracht auszuführen, was der Kleiderschrank hergab.
Die Kinder präsentierten ihre eingeübten traditionellen Tänze in den schönsten Outfits. Auch für die Sportler beim Baumstämmewerfen war es Pflicht, mindestens einen Kilt zu tragen.
Fazit
Alles in allem – Schottland ist eine Reise wert. Wenn man sich für Trachten und Traditionen interessiert, kann man hier eine Menge sehen. Mal ganz abgesehen von der atemberaubenden schottischen Landschaft mit den Highlands, den vielen Lochs, der Küste und den Inseln.
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Deine Evelyn
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